Im September 2020 wurde der Partner einer jungen Frau in einem Restaurant in der Schweiz durch einen Messerstich getötet. Die Frau, die neben dem Opfer saß, musste den Angriff und den Tod ihres Partners miterleben. Nach dem Vorfall zog sie zurück in ihre Heimat Portugal. Der Täter wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und hatte eine Genugtuungszahlung von 25'000 Franken an die Frau anerkannt.
Die Behörden des Kantons Waadt sprachen der Frau jedoch nur 7'000 Franken zu. Sie begründeten dies mit einem Grundbetrag von 10'000 Franken, der wegen der kurzen Beziehungsdauer (fünf Monate) und des niedrigeren Lebensstandards in Portugal um 30 Prozent gekürzt wurde. Das Kantonsgericht bestätigte diese Entscheidung, woraufhin die Frau Beschwerde beim Bundesgericht einlegte.
Das Bundesgericht hielt den Grundbetrag von 10'000 Franken für angemessen. Es berücksichtigte dabei, dass die Beziehung erst kurz gedauert hatte und die Frau keine besonderen psychischen Folgen durch den terroristischen Charakter der Tat nachweisen konnte. Allerdings hob das Gericht die Kürzung wegen des Wohnsitzes in Portugal auf. Die Richter stellten klar, dass der Unterschied bei den Lebenshaltungskosten zwischen der Schweiz und Portugal nicht ausreicht, um eine Reduktion der Genugtuung zu rechtfertigen.
Die Frau erhält somit eine Genugtuung von 10'000 Franken sowie eine Parteientschädigung von 2'500 Franken für das Verfahren vor Bundesgericht. Das Urteil folgt einer neuen Rechtsprechungslinie, wonach Kürzungen von Genugtuungen wegen Wohnsitz im Ausland nur bei sehr deutlichen Unterschieden in den Lebenshaltungskosten zulässig sind.